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31. August 2021 // #
Zuletzt geändert am 25. Januar 2023

Großglockner-Trail: 17. Platz beim Rennen auf Österreichs höchstem Berg

Großglockner-Trail: 17. Platz beim Rennen auf Österreichs höchstem Berg

Beim Großglockner-Trail musste ich 57 Kilometer und knapp 3.500 Höhenmeter bezwingen.

Am Ende lief ich als 17. über die Ziellinie.

Wie ich mich gegen die Trail-Experten durchgesetzt habe, liest du in diesem Erlebnisbericht.

Die Nacht war kurz.

Der Schlafmangel ist jedoch nicht der Aufregung des bevorstehenden Wettkampfs geschuldet.

Denn anders als bei Straßenläufen spielt die Pace beim Trailrunning eine untergeordnete Rolle.

Ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie lange ich für 57 Kilometer und 3.500 Höhenmeter benötigen werde.

Und ohne eine anvisierte Zielzeit fehlt auch der daraus resultierende Leistungsdruck.

Die Uphills stark laufen, die Downhills sicher bewältigen und ohne Knochenbrüche oder schwere Stürze ins Ziel kommen.

Das ist der Wettkampfplan.

Was mich am Abend zuvor aber nicht hat einschlafen lassen, sind die beiden Fußballspiele des FC Kaprun.

Ich werde vom plötzlichen Torjubel oder dem lautstarken Aufregen über ein grobes Foul wachgehalten.

Zudem schallen Après-Ski-Hits in der Halbzeitpause aus den Lautsprechern.

Am Ende des Tages teilt sich der FC Kaprun die Punkte je zweimal mit einem Unentschieden gegen seine Gegner.

Viereinhalb Stunden später klingelt mein Wecker.

Obwohl der Start des Großglockner-Trails (GGT 55) aufgrund der Wetterverhältnisse um eine Stunde nach hinten verschoben worden ist, stehe ich um 2:30 Uhr auf.

Mein Hotelzimmer ist weder mit einem Kühlschrank noch mit einer Kaffeemaschine ausgestattet.

Alle notwendigen Vorbereitungen habe ich deshalb natürlich bereits am Vortag getroffen:

Aus dem Appartement meiner mitgereisten Eltern habe ich mir Wasserkocher, Gläser, Tassen und Besteck geschnappt.

Pünktlich um 3 Uhr sitze ich also mit meinen Haferflocken und einer Tasse frisch aufgekochten Instant-Kaffee auf einem Sessel und verfolge die Olympischen Spiele 2020 live im Fernsehen.

Höhenmeter per Laufband sammeln

Nach dem obligatorischen Toilettengang und dem finalen Check der Ausrüstung breche ich auf.

Der GGT 55 startet in Kals.

Von Kaprun werden die knapp 420 Teilnehmer mit Bussen zum Start gefahren.

Im Shuttlebus nutze die Zeit, um mir den Streckenverlauf und die Verpflegungsstellen einzuprägen.

Von Aufregung noch immer keine Spur.

Nach der Anfahrt habe ich in Kals noch eine Stunde Zeit, um mich mental auf das Rennen einzustimmen.

Ich suche wärmenden Unterschlupf in einer Hütte, die nur durch die Masse an Menschen beheizt erscheint.

Auf einen heißen Tee oder einen letzten Snack verzichte ich.

Allein meine Blase leere ich in regelmäßigen Abständen.

Um zehn vor sieben ist es dann endlich soweit.

Nach einer Wettkampf-Abstinenz von beinahe einem Jahr stehe ich endlich wieder in einem Startblock, wo ich die Vorfreude mit Gleichgesinnten teile.

Der Startschuss ertönt.

Wie bei Straßenwettkämpfen enteilen die Elite-Athleten dem Hauptfeld in einer uneinholbaren Geschwindigkeit.

Doch statt mit den Profis Schritt halten zu wollen, starten die restlichen Teilnehmer zurückhaltend ins Rennen.

Der Respekt vor dem Berg ist groß.

Denn bereits auf den ersten neun Kilometern müssen wir knapp 1.200 Höhenmeter bezwingen.

Wer sich hier überschätzt, wird sich für den Rest des Wettkampfs quälen müssen.

Für den Großglockner-Trail habe ich mich mit einem Trainingsplan von Two Peaks Endurance vorbereitet.

Die vergangenen 16 Wochen waren intensiv und kräftezehrend – teilweise bin ich 140 Kilometer pro Woche gelaufen.

Doch obwohl ich die Mehrheit meiner Workouts aus Mangel an Bergen und steilen Anstiegen auf einem Laufband absolviert habe, fühle ich mich ausreichend vorbereitet.

Dementsprechend gehe ich den ersten langen Anstieg auch selbstbewusst an.

Während die meisten Teilnehmer direkt mit dem Speed-Hiking starten, erklimme ich den Berg im Laufschritt.

Die Verpflegungsstation auf der Pfortscharte (2.838m) erreiche ich als 14. 90 Minuten nach dem Startschuss nehme ich hier das erste Gel zu mir und fülle meine Wasser-Reserven auf.

Scheinbar bin ich jedoch der einzige, der sich zu diesem Zeitpunkt Gedanken um seine Energiezufuhr macht.

Das Gros der Läufer lässt den Verpflegungspunkt links liegen und rast stattdessen ohne Zwischenstop in den ersten Downhill.

Ich lasse mich davon beeinflussen, verschwende keine weitere Zeit und hefte mich an die Fersen meiner Konkurrenten.

No pain, no gain

Die Downhill-Passagen bereiten mir Kopfzerbrechen.

Als Flachländer bin ich es gewohnt, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Kilometer für Kilometer.

Stunde um Stunde.

Im Gebirge läuft es sich aber vollkommen anders.

Der Sprung über einen Gebirgsbach, Trippelschritte bei 180-Grad-Kurven, Ausweichmanöver bei herausragenden Steinen und das Tänzeln auf gerölligen Pfaden.

Standard im Trail.

Die Trittsicherheit muss stimmen, ansonsten kann ein Lauf abseits der Wege böse enden.

Und genau diese Sicherheit fehlt mir, um den Anschluss an die Läufer vor mir halten zu können.

Immer wieder muss ich von hinten heraneilenden Teilnehmern die Vorfahrt gewähren.

Ich staune über die Trail-Experten, die so schnell und dynamisch über die schmalen Trampelpfade zu fliegen scheinen, ohne auch nur ansatzweise aus der Balance zu geraten.

Ist diese Sicherheit im Trail erlernbar?

Oder fehlt diesen Athleten schlichtweg die Angst vor Stürzen, gerissenen Bändern oder Knochenbrüchen?

Gedanken, die während des Laufens durch meinen Kopf schwirren.

Trotz aller Sicherheitsbedenken kann ich den Abstand auf meinen Vordermann verkürzen.

Demütig reihe ich mich in die aus knapp zehn Personen bestehende Lauf-Kolonne ein.

Konzentriert achte ich auf die Füße des Läufers vor mir.

Wo er hintritt, trete auch ich hin.

Und wenn er nicht stürzt, stürze auch ich nicht.

So der Plan.

Keine zehn Minuten später liege ich bauchlings auf einem Schneefeld.

Rookie-Mistake.

Wer eine Kurve über Eis laufen will, sollte nicht zu hart einschlagen.

Diesen Fehler habe ich bereits in jungen Jahren mit meinem brandneuen Roller gemacht.

Damals war es ein nasser Gullideckel, der mich durch eine scharfe Linkskurve hat schliddern lassen.

Und auch vor 18 Jahren habe ich Schürfwunden davongetragen.

Ich signalisiere meinen Mitläufern, dass ich mich nicht schwer verletzt habe.

Die pochenden Schmerzen in meinem linken Oberschenkel ertrage ich wie ein echter Trailläufer.

Denn derart Stürze gehören nunmal dazu.

Sie sind der Weckruf, achtsam und fokussiert zu bleiben.

Der Staudamm am Magaritzensee war die erste flache Strecke im Wettkampf

Belastung von Körper und Geist

Wir laufen über Stock und Stein, über weitere Schneefelder und durch nebelige Passagen.

Der abrupte Temperatursturz zwingt mich beinahe zum Anziehen meiner Regenjacke.

Der Trail zum Margaritzenstausee lässt die Körpertemperatur aber wieder rasant ansteigen.

Auf dem Damm angekommen, laufe ich zum ersten Mal in diesem Wettkampf auf einer ebene Strecke.

Den Ausblick auf den azurblauen Stausee kann ich allerdings nur kurz genießen.

Denn meine Beine haben Probleme, den Anweisungen meines Kopfs zu folgen.

Monotone Bewegungsabläufe sind sie nicht mehr gewohnt – sie haben sich auf unrhytmisches Laufen eingestellt.

Bevor sich mein Körper jedoch nur im Ansatz an die flache Strecke gewöhnen kann, blicke ich auf den nächste Gipfel, den es zu erklimmen gilt.

Mit dem Großglockner im Blick geht es hinauf über das Glocknerhaus zur unteren Pfandlscharte (2.663m).

Ohne Trailrunningstöcke wären die Anstiege noch kräftezehrender gewesen als ohnehin schon

Nicht ohne positives Mindset

Trailrunning ist Kopfsache.

Nicht nur das Bergablaufen erfordert ein hohes Maß an Konzentration.

Auch die Anstiege stellen Körper und Geist auf die Zerreißprobe.

Denn sobald man meint, kurz vor dem Gipfel zu stehen, sieht man in weiter Ferne sich bewegende Silhouetten, die einen vor Augen führen, wie viel Höhenmeter der eigene Körper noch über sich ergehen lassen muss.

Zudem bin auch ich mittlerweile in schnellen Wanderschritten unterwegs, um die steilen Uphills zu bewältigen.

Dabei entsteht jedoch ein Lauf-Paradoxon.

Obwohl ich kontinuierlich in Bewegung bin, komme ich meinem Ziel nicht spürbar näher.

Glaubenssätze und ein positives Mindset sind der Schlüssel zum Erfolg.

Immer wieder führe ich mir vor Augen, dass es die vorletzten anspruchsvollen Höhenmeter des Wettkampfs sind.

Denn nach dieser Gipfelbesteigung folgt eine 20-Kilometer-lange Downhill-Passage.

Die Gefahr lauert an jeder Ecke

Der ersehnte Abstieg ist im ersten Moment jedoch ein großer Schock.

Denn ich befinde mich inmitten eines schneebedeckten Abhangs, der unlaufbarer gar nicht hätte sein können.

Ich versuche mich an verschiedenen Techniken, um halbwegs unbeschadet zum Fuß des Bergs zu kommen.

Wie ein Skifahrer gleite ich auf den eigenen Füßen Richtung Tal.

Doch je länger ich rutsche, desto mehr Fahrt nehme ich auf.

Und je schneller ich werde, desto schwieriger gestaltet sich das Balancieren.

Der Point of no return überschneidet sich mit dem Zeitpunkt des Unvermeidbaren.

In bester Charlie-Brown-Manier haut es mich von den Socken.

Entsprechend riesig ist die Freude, als ich wieder halbwegs festen Boden unter mir spüre.

Der Downhill bleibt technisch anspruchsvoll, allerdings ist der Trail jetzt zumindest wieder laufbar.

Wie gefährlich das Laufen in den Bergen tatsächlich sein kann, wird mir nur wenige Kilometer später bewusst.

In einer Steilkurve verliere ich meine Trittsicherheit.

Doch statt etliche Meter in die Tiefe zu stürzen, fängt mich ein dichtes Gestrüpp auf.

Abgesehen von einigen Schrammen an den Beinen komme ich unbeschadet davon.

Mir selbst erschien das Manöver gar nicht so dramatisch.

Meine Laufuhr ist da aber anderer Meinung.

Das kontinuierliche Blinken und das permanente Vibrieren weisen darauf hin, dass meine GPS-Uhr den Notruf auslöst, sollte ich die Funktion nicht innerhalb der nächsten 30 Sekunden manuell deaktivieren.

Sowohl mein Adrenalin-Spiegel als auch meine Panik vor weiteren Stürzen erreichen den Tageshöchstwert.

Den restlichen Gebirgstrail laufe ich mit zittrigen Beinen.

Trails sind nicht ganz so laufbar wie flache Strecken auf Asphalt – du solltest also immer konzentriert bleiben, um Stürze zu vermeiden

Reine Kopfsache

So richtig ins Rollen komme ich erst wieder auf den Forstwegen im Fuschertal.

Aufgrund meiner konservativen Laufweise wurde ich beim Downhill in den Bergen einige Plätze nach hinten durchgereicht.

Meine Kraftausdauer für halbwegs flache Strecken lässt mich auf den nächsten 20 Kilometern jedoch wieder an Geschwindigkeit aufnehmen.

Und so kämpfe ich mich wieder zurück in die Top15.

Dieser Siegeszug findet nach der letzten Verpflegungsstation in Fusch allerdings ein jähes Ende.

Denn der letzte große Anstieg bringt mich an den Rand der Kapitulation.

Mittlerweile bin ich seit fünf einhalb Stunden unterwegs.

Obwohl ich in regelmäßigen Abständen Flüssigkeit zu mir genommen habe, sinkt der Wasserhaushalt in meinem Körper.

Die pralle Mittagssonne verhindert zudem die angestrebte Rehydrierung.

Für die folgenden drei Kilometer Uphill benötige ich knapp 60 Minuten.

Hierbei kann weder von Laufen noch von Speed-Hiking die Rede sein.

Meine Pace ist langsamer als bei jedem Spaziergang.

Nur wenigen Konkurrenten geht es anders.

Wer jetzt noch frische Beine hat, kann ordentlich Zeit gutmachen.

Ich bin überglücklich als ich den letzten Anstieg hinter mich bringe und bergab zurück nach Kaprun laufe.

Auf dem Weg durch das Zentrum ins Ziel am Maiskogel Parkplatz kann ich noch den ein oder anderen entkräfteten Läufer überholen.

Nach 57 Kilometern, 3.284 überwundenen Höhenmetern und 4.245 verbrannten Kalorien erblicke ich meine Platzierung, meine Name und meine Zielzeit in digitalen Lettern:

17. Platz.

Robin S.

Zielzeit: 8:08:04 Stunden.

Nach acht Stunden auf den Beinen war ich mehr als froh im Ziel zu sein

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Robin
Laufen und Schreiben sind meine absolute Leidenschaft. Als ausgebildeter Ausdauercoach, Content-Creator und Chefredakteur helfe ich dir, deine Ziele zu erreichen. Zudem halte dich auch über die aktuellen Neuigkeiten aus der Laufszene und über das neuste Running-Equipment auf dem Laufenden. Ob schnelle 5k oder lange 100 Kilometer, ob auf der Straße, in den Bergen oder in der Wüste – ich fühle mich auf allen Strecken und in jedem Gelände wohl.

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