hello world!
26. August 2021 // #
Zuletzt geändert am 24. September 2021

Mit Dorothea Wierer durch das Antholzertal

Mit Dorothea Wierer durch das Antholzertal

Was verbindet eigentlich Biathlon und Trailrunning?

Die Antwort dazu wollte ich einmal hautnah erleben.

Dafür habe ich Profi-Biathletin Dorothea Wierer im Antholzertal in Südtirol getroffen.

Leicht angespannt sitze ich um kurz vor acht Uhr am Frühstückstisch in meinem Hotel in Antholz, Südtirol.

Die Tasse schwarzer Kaffee beschleunigt zwar den Aufwachprozess, wirkt sich aber gleichzeitig kontraproduktiv auf mein stetig steigendes Stresslevel aus.

Im Grunde genommen hätte ich auf den Schub Koffein problemlos verzichten können.

Der Morgen-Kaffee hat sich allerdings fest in meiner Frühstücksroutine etabliert.

Nicht aus funktionalen Gründen; als sogenannte Lerche habe ich weder Probleme früh aufzustehen, noch wachzuwerden.

Das schwarze Gold schlürfe ich aus purem Genuss.

Gerade als ich zum erneuten Schluck aus der Tasse ansetze, ertönt hinter mir ein freundliches und energisches Hoi.

Beim Ausruf dieser Begrüßung, die im deutschsprachigen Südtirol das gängige Hallo ersetzt hat, schlägt mein Puls höher als bei jedweder Form von Intervalltraining.

Berühmte Sportler habe ich zwar schon häufiger getroffen.

Doch noch nie hatte ich die Möglichkeit, einen ganzen Vormittag mit ihnen zu verbringen.

In diesem Moment gesellt sich Profi-Biathletin Dorothea Wierer zu mir an den Tisch.

Es fehlt nur olympisches Gold

Leider ist meine Gehirnleistung noch nicht bei 100 Prozent.

In meinem Kopf gehe ich sämtliche smarte Sprüche durch, die jetzt als Eisbrecher dienen könnten.

Wie kann man beim Biathlon eigentlich Zweiter werden? Man hat doch immer ein Gewehr dabei?

Ich verkneife mir diesen Dad-Joke, bei dem sich Wierers Mundwinkel sicherlich nichtmal ein Mü bewegt hätten.

Stattdessen stammele ich ein schlecht hörbares Hi, ich bin Robin.

Die Italienerin gehört zur absoluten Weltspitze des Biathlon:

Bei den Weltmeisterschaften konnte sich Wierer bislang drei Gold, vier Silber- und drei Bronze-Medaillen erlaufen.

Zusätzlich stand sie nach Weltcuprennen 17 Mal ganz oben auf dem Podium.

Meine Anspannung lässt sich also allein mit dieser imposanten Statistik begründen.

Es dauert jedoch nicht lange, bis ich deutlich entspannter werde.

Wierers Gelassenheit färbt auf mich ab.

Nach einem Cappuccino starten wir mit dem geplanten Interview.

Schließlich will ich wissen, warum Trailrunning für Biathleten eine so wichtige Rolle spielt.

Dorothea Wierer Interview Trailrunning
In Südtirol durfte ich einen ganzen Tag mit Profi-Biathletin Dorothea Wierer verbringen

Im Sommer wird die Grundlage gelegt

Knapp 900 Stunden trainiert Wierer pro Jahr.

Das sind 17 Stunden pro Woche oder 2,5 pro Tag.

Auf den ersten Blick sieht das nach einer moderaten Belastung aus.

Der Schein trügt jedoch.

Denn in dieser Rechnung wird nur das spezifische Biathlon-Training, also Langlauf und Schießen, berücksichtigt.

Workouts wie Yoga, Pilates oder physiotherapeutische Einheiten würden die Trainingsumfänge in neue Dimensionen katapultieren.

Zudem muss diese Belastung natürlich in Relation zum Jahr betrachtet werden.

Während das Training für einen Wettkampf in der Regel auch drei Monate in Anspruch nimmt, gönnen sich die meisten Hobbyläufer im Sommer jedoch eine sportliche Auszeit, um sich sowohl körperlich als auch mental von der Belastung zu erholen.

So startet man gestärkt in die Herbst-Wettkämpfe.

Derart lange Erholungspausen sind für professionelle Wintersportler allerdings nicht vorgesehen.

Besonders nicht im Sommer.

Statt also die Füße hochzulegen, geht es für Dorothea Wierer und ihre Biathlon-Kollegen ins Trainingslager.

Hier wird an der Technik, an der Präzision und natürlich auch an der Ausdauer gearbeitet.

Dabei wird jedoch nicht unbedingt immer auf Skirollern trainiert.

Auch Mountainbiking, Intervall-Training auf der Laufbahn und Trailrunning steht für Wierer auf dem Plan.

Das Laufen in den Bergen ist für die italienische Biathletin eine beliebte Form von Alternativtraining.

Dorothea Wierer Interview Trailrunning
Der Antholzer See ist zurecht ein beliebter Foto-Spot

Trailrunning schärft den Fokus

Wierer ist in Bruneck aufgewachsen, hatte die Berge also direkt vor der eigenen Haustür.

Wer in dieser Region läuft, ist ein waschechter Trailrunner.

Denn flache Laufstrecken sucht man hier vergebens.

Bevor man sich versieht, befindet man sich bereits auf steilen Anstiegen, technischen Downhills und unbefestigten Wegen.

Doch genau dieses Terrain spielt der italienischen Wintersportlerin beim Sommertraining in die Karten.

Mit hügeligen und unbefestigten Gelände sind Biathleten natürlich bestens vertraut.

Und fühlt man sich in solch einer Umgebung bei Schnee schon wohl, dann wird einem das Gelände auch keine Probleme bereiten, wenn die Winterdecke einmal geschmolzen ist.

Dabei profitieren die Profi-Sportler natürlich auch von den Vorteilen, die das Ausdauertraining in den Bergen mit sich bringt.

Das Laufen auf Abwegen eignet sich bestens dafür, die eigene Fitness und Kondition in der Offseason aufrecht zu erhalten, ohne dafür das Gefühl für das Gelände der Hauptsportart zu verlieren.

Darüber hinaus stärkt das Trailrunning sowohl Körper als auch Geist.

Sich auf unbefestigten Pfaden treiben zu lassen, neue Strecken zu erkunden oder bergab förmlich über Stock und Stein hinweg zu fliegen, ist deutlich abwechslungsreicher als das monotone Laufen auf asphaltierten Straßen.

Zusätzlich muss man beim Trailrunning jederzeit vollkommen fokussiert und konzentriert sein.

Jeder Stein, jede Wurzel, jede Unebenheit – es muss genau darauf geachtet werden, wo man hintritt.

Eine enorme Körperstatik muss stets gewahrt werden, um das Training nicht mit einem verstauchten Knöchel oder Schürfwunden vorzeitig beenden zu müssen.

Die Schulung der eigenen Konzentration ist natürlich gerade für Biathleten besonders wertvoll.

Beim Wechsel zwischen Ausdauerbelastung auf der Strecke und vollem Fokus am Schießstand bestehen diejenigen, die Körper und Geist in Millisekunden in Einklang bringen können.

Dorothea Wierer Interview Trailrunning
Trailrunning hat die Vorzüge, dass man in faszienierenden Umgebungen unterwegs ist

Zwischen Anspannung und Gelassenheit

Durch das Trailrunning lassen sich also nahezu alle Trainingsformen abdecken, die Langläufer benötigen.

Die einfachste Form ist sicherlich die Dauermethode zur Optimierung der Grundlagenausdauer.

Allerdings muss der Puls in den Bergen aufmerksamer beobachtet werden.

Das Training im hügeligen Terrain kann durchaus zu unerwünschten Belastungsspitzen führen.

Dafür bieten steile Anstiege perfekte Bedingungen für knackige Bergsprints zur Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme.

Der lockere Downhill-Trab sichert gleichzeitig den optimalen Wechsel zwischen Be- und Entlastung.

Tempo- oder Intervall-Einheiten stehen für mich und Dorothea Wierer heute natürlich nicht auf dem Plan.

Bei unserem ersten Stop drehen wir eine Runde um den Lago di Anterselva, dem Antholzer See.

Der drittgrößte See Südtirols befindet sich im Antholzer Tal und bietet eine Kulisse, die zu ausgedehnten Wander-, Lauf- und Mountainbike-Touren einlädt.

Während unseres Fotoshootings wird die italienische Biathletin von Passanten selbst immer wieder nach Bildern gefragt.

Das Ambiente am Lago di Anterselva ist zweifelsohne schon perfekt, um Likes auf Instagram zu erhalten.

Ein Foto mit Superstar Dorothea Wierer stellt aber selbst den türkis schimmernden See in den Schatten.

Von den spontanen Anfragen lässt sich Wierer aber keinesfalls aus der Ruhe bringen.

Im Gegenteil: Gelassen steht die Profi-Biathletin für Handy-Aufnahmen bereit, bietet sogar an, dass der gebuchte Fotograf das Knipsen übernimmt.

Danach erkundet sie sich sogar noch nach der weiteren Tagesplanung – für Smalltalk bleibt immer Zeit.

Dorothea Wierer Interview Trailrunning
Die charmante Profi-Biathletin genießt es, die Berge vor der Haustür zu haben

Radler und Kaspressknödel

Nach der Runde am See geht es ab in die Berge.

In der Nähe vom Staller Sattel sind wir auf steinigen Anstiegen und schmalen Pfaden unterwegs, die sonst nur von wandernden Bergliebhabern genutzt werden.

Die Trailrunning-Stöcke sind in solch einem Terrain nicht wegzudenken.

Sie geben Sicherheit und erleichtern das Laufen bergauf.

Wierer ist die Handhabung nach Jahrzenten im professionellen Wintersport natürlich schon in Fleisch und Blut übergegangen.

Während mir als Kölner Flachländer bereits die Luft auf über 1.600 Meter über dem Meeresspiegel zu schaffen macht, klettert die italienische Biathletin nahezu mühelos die Berge hoch.

Natürlich hatte ich vor meinem Ausflug nach Südtirol nicht damit gerechnet, mit Wierer Schritt halten zu können.

Dass mich die Höhe und das Gelände aber vor derart Probleme stellen, zeigt mir nur, dass auch ich hin und wieder mehr Abwechslung in meinen Trainingsplan bringen sollte.

Natürlich lassen sich Bergsprints im Mittelgebirge deutlich einfacher laufen.

Doch auch in flachen Umgebungen können solche Trainingsformen durchgeführt werden.

Alles, was man braucht, ist ein kurzer Anstieg.

Egal, ob Autobahnbrücke, Parkhausauffahrt oder Stadtwald-Hügel – auch Flachland-Läufer können Höhenmeter sammeln.

In dem Fall muss dann nur die Anzahl der gelaufenen Wiederholungen nach oben geschraubt werden.

Nachdem auch die Fotos aus dem Gebirge im Kasten sind, steigen Wierer und ich wieder hinunter ins Tal.

Die Anspannung vom Morgen ist längst vergessen.

Der Tag beweist mal wieder eindrucksvoll: Laufen verbindet.

Zum gemeinsamen Essen kehren wir mit der gesamten Crew in die Tiroler Hütte ein.

Mit einem erfrischenden Radler stoßen wir auf den erfolgreichen Tag an.

Dazu werden Kaspressknödel serviert.

Und je länger der Tag dauert, umso deutlicher wird:

Auch Profi-Sportler wie Dorothea Wierer sind Menschen wie du und ich.


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Robin
Laufen und Schreiben sind meine absolute Leidenschaft. Als ausgebildeter Ausdauercoach, Content-Creator und Chefredakteur helfe ich dir, deine Ziele zu erreichen. Zudem halte dich auch über die aktuellen Neuigkeiten aus der Laufszene und über das neuste Running-Equipment auf dem Laufenden. Ob schnelle 5k oder lange 100 Kilometer, ob auf der Straße, in den Bergen oder in der Wüste – ich fühle mich auf allen Strecken und in jedem Gelände wohl.

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