In diesem Artikel
Im Laufsport gibt es viele Dinge, die polarisieren.
Ein Paradebeispiel ist das Stretching.
Unter Läufern gibt es kaum etwas, was mehr Gegensätze schafft als das Thema Dehnen.
Für die Einen gehört es zum Laufen dazu, wie der Longrun am Wochenende.
Für die Anderen ist es bloß unnötige Zeitverschwendung.
Das gleiche Phänomen trifft auf die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von orthopädischen Sport-Einlagen zu.
Während das eine Lager seine Laufschuhe mit individuellen Einlagen ausstattet, um Fußfehlstellungen auch beim Laufen zu korrigieren, lehnt die andere Gruppe Einlegesohlen für die Laufschuhe kategorisch ab.
Beide Parteien können ihre Glaubensrichtung dabei nachvollziehbar begründen.
Aber brauchst du wirklich Einlagen?
Oder ist dein Laufschuh auch ohne spezielle Einlegesohle ein vollwertiges Sportgerät?
Und was solltest du beim Kauf von individuellen Einlagen alles beachten?
Dieser Artikel klärt auf.
Fußfehlstellungen als Volkskrankheit
Der Fuß ist ein Meisterwerk der Natur.
Er besteht aus 28 Knochen – das ist ein Viertel aller Knochen des Menschen –, 107 Bänder und 19 Muskeln.
Deine Füße sind perfekt für kilometerweite Märsche geschaffen.
Über die Jahre hinweg hast du dem menschlichen Fundament jedoch die Freiheit genommen, richtig arbeiten zu können.
Du trägst Sneaker, High Heels, Stiefel oder Laufschuhe.
Stützen, federn oder ausbalancieren – was normalerweise Aufgabe deiner Füße wäre, übernimmt jetzt das Schuhwerk.
Dein Fundament wird somit arbeitslos.
Deine Fußmuskulatur verkümmert und bildet sich zurück.
Dieser Prozess beginnt heutzutage leider schon im Kindesalter.
Das Resultat sind Senk-, Spreiz- oder Knickfüße.
Wenn es dich – wie mich – ganz hart getroffen hat, dann leidest du gleich an dem gesamten Trio.
Unüblich ist es jedenfalls nicht.
Fußfehlstellungen sind eine Volkskrankheit der westlichen Welt.
Aktivierung der Tiefenwahrnehmung
Natürlich nutzen die Verfechter von Einlegesohlen derart Fehlstellungen, um dessen Existenz zu rechtfertigen.
Schließlich unterstützen orthopädische Einlagen bei der Korrektur von Fehlhaltungen.
Die Materialien zur Herstellung dieser Einlegesohlen reichen von Leder- über Kunststoff- bis hin zu Kork- oder Geleinlagen.
Dabei hängt das eingesetzte Material von dem Behandlungsziel des jeweiligen Fußleidens ab.
Eine spezielle Form der Sohlen sind die sogenannten sensomotorischen Einlagen.
Diese sind besonders dünn und sollen stimulierend wirken.
Sie bestehen aus Pelotten, ballenförmige Halbkugeln, die die Rezeptoren der Tiefenwahrnehmung nachhaltig beeinflussen.
Schritt für Schritt sollen die Nervenzellen in den Füßen somit angeregt und physiologische Fehlhaltungen umprogrammiert werden.
Das alles ist Hokus-Pokus, behaupten die Einlagen-Kritiker.
Die einzig sinnvolle Behandlung ist das Kräftigen der Fußmuskulatur.
Diese These stützt sich auf dem Vergleich eines Knochenbruchs.
Denn ein Gipsverband stellt die Extremität ruhig bis der Knochen wieder zusammengewachsen ist.
Einlagen haben denselben Effekt.
Sie wickeln die Füße förmlich in Watte.
So wird das Fußleiden allerdings verstärkt.
Denn Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder und Faszien werden dann kaum noch benötigt.
In Folge dessen bilden sich die Strukturen zurück.
Der Fuß verliert nicht nur seine ursprüngliche Form, sondern auch seine gesamte Funktion.
Heutzutage schlägt man im Rehabilitationsprozess aber immer häufiger einen anderen Kurs ein.
Während man Athleten bei schwerwiegenden Verletzungen noch absolutes Sportverbot erteilt und passive Krankengymnastik verschrieben hat, dreht sich mittlerweile alles um den Erhalt der Bewegungsfähigkeit.
Und diese kann eben auch nur erhalten werden, wenn die verletzte Körperpartie so früh wie möglich wieder durch leichte Mobilisationsübungen trainiert wird.
Statt deine Füße also mit Einlagen ruhig zu stellen, solltest du die Fußmuskulatur durch gezielte Gymnastik-Übungen auftrainieren.
Einbeinstände auf einem labilen Untergrund sind beispielsweise ein hervorragendes Manöver, um die Fußgelenke zu kräftigen.
Falte ein Handtuch dazu einfach zweimal in der Mitte, damit du einen weichen Untergrund hast.
So muss dein Fuß während des Einbeinstands auch arbeiten.
Der ultimative Life-Hack:
Führe diese Übung während des Zähneputzens durch, um Zeit zu sparen und das Fußtraining zur Routine zu machen.
Finetuning der Laufperformance
Spätestens seit dem spektakulären Versuch von Eliud Kipchoge, den Marathon bei seinem Breaking2-Projekt in unter zwei Stunden zu laufen, sind Laufschuhe mit Carbonfaserplatten voll im Trend.
Der für Kipchoge entwickelte Laufschuh von Nike versprach eine Steigerung der Laufeffizienz um vier Prozent.
Zwar scheiterte der Rekordversuch des Kenianers an lediglich 26 Sekunden, trotzdem lief Kipchoge mit den neuen Schuhen zweieinhalb Minuten schneller als der aktuelle Weltrekord, der bei 2:02:57 Stunden lag.
Dieser Tag veränderte die gesamte Laufszene.
Nicht nur die ambitionierten Freizeitläufer wollten diesen ultimativen Schnellmacher an ihren Füßen tragen.
Auch professionelle Athleten gerieten in ein moralisches Dilemma.
In völliger Angst, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein, kaufte sich der Äthiopier Herpassa Negasa den Wunderschuh, machte das Logo unkenntlich und rannte beim Dubai-Marathon mit klarer Bestzeit auf Platz zwei.
Das große Problem?
Er stand bei einem konkurrierenden Sportartikelhersteller unter Vertrag.
Schuhe mit Zwischensohle aus Carbon sagt man nach, dass sie eine hohe Energierückgabe haben und Läufer somit nicht nur schneller, sondern auch ausdauernder seien.
Allerdings gibt es noch keine eindeutige Studienlagen, die einen geringeren Energieverbrauch auch tatsächlich belegen können.
Trotzdem haben auch die Hersteller orthopädischer Einlagen den Carbonfaser-Trend aufgegriffen.
Frei nach dem Motto je mehr, desto besser sollen Läufer mit doppelter Carbon-Versorgung unaufhaltsam und vor allem mühelos neue Bestzeiten in den Asphalt brennen können.
Insbesondere bei professionellen Athleten stehen individuelle Einlagen hoch im Kurs.
Doch liegt der Fokus hier nicht darauf, sich durch Einlegesohlen einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen.
Die Laufumfänge eines professionellen Marathon-Läufers liegen durchschnittlich bei knapp 200 Kilometer.
Pro Woche versteht sich.
Bei dieser hohen Belastung lässt sich gut nachvollziehen, weshalb Profis spezielle Einlagen zur Prävention von Verletzungen und zur Unterstützung der Biomechanik in ihre Schuhe legen.
Individuelle Beratung unerlässlich
Im Internet findest du unzählige Angebote für Einlegesohlen.
Die Produktpaletten der meisten Anbieter bestehen aus Einlagen, die sich speziell zum Laufen, Wandern, Radfahren oder für den normalen Alltagsgebrauch eignen.
Solltest du dich von den verlockenden Argumente der Einlagen-Hersteller überzeugen lassen, gilt jedoch dasselbe wie für Laufschuhe.
Verzichte auf den Blindkauf im Internet und lass dich professionell beraten!
Denn falsche Einlegesohlen können durch die Änderung der Biomechanik Langzeitschäden am Bewegungsapparat verursachen.
Bei einer individuellen Bewegungsanalyse wird nicht nur deine Lauftechnik analysiert.
Der Fußdruck wird ebenfalls professionell gemessen.
Hierbei wird der Schwerpunktverlauf des Körpers durch den Fuß in einer Belastungskurve erfasst.
Diese Messung erfolgt heutzutage digital.
Dazu erstellt ein Flachbildscanner einen sogenannten Blauabdruck, der als Grundlage für die Einlage dient.
Im Anschluss wird eine weiche Pelotte ergänzt, um die Einlegesohle für dich zu individualisieren.
Unverzichtbar: Fußmuskeltraining
Sicherlich ist konsequent durchgeführtes Training für die eigene Fußgesundheit am sinnvollsten.
In den meisten Fällen scheitert es jedoch schon an der Regelmäßigkeit des Workouts.
Ausdauersportler sind zu sehr verwöhnt.
Bereits nach wenigen Wochen sind die Erfolge des Lauftrainings sichtbar.
Mehr Kondition, eine niedrige Herzfrequenz, mehr Gelassenheit im Alltag.
Im Gegensatz zum Ausdauertraining ist das Kräftigen der Füße jedoch ein langwieriger Prozess, dessen Ergebnisse möglicherweise erst nach einem Jahr sichtbar werden.
Aber das ist noch lange kein Grund, das Fußtraining zu vernachlässigen.
Denk immer daran.
Die Füße sind das Fundament des Menschen.
Es sollte stark genug sein, um dich auch weiterhin schmerzfrei tragen zu können.
Kilometerweit.
Hi Robin,
ein interessanter und sehr informativer Artikel! Ich persönlich finde, dass ein richtiger Laufschuh oftmals schon eine Einlegesohle ersetzen kann - je nachdem natürlich wie stark die Fehlstellung ist und was genau augeglichen werden muss. Ich finde es super, dass du den Punkt Fußmuskeltraining anspichst- wird oftmals unterschätzt kann aber sehr hilffeich sein!
Liebe Grüße
Jahn
Gut zu wissen, dass Schuhe mit Zwischensohle aus Carbon dafür bekannt sind, dass sie eine hohe Energierückgabe haben und Läufer somit nicht nur schneller, sondern auch ausdauernder sind. Mein Neffe möchte professioneller Läufer werden. Er hofft, dass er mit Carbonsohlen tatsächlich seine Ausdauer steigern würde.
Vielen Dank für die Erläuterungen zu Schuheinlagen im Laufsport. Ich laufe regelmäßig und werde mir demnächst individuelle Schuheinlagen anfertigen lassen. Ich trage bereits Einlagen im Alltag, aber gut zu wissen, dass im Laufsport sensomotorischen Einlagen von Vorteil sind.