Noch vor einigen Jahren mussten Läufer lange an schwerwiegenden Verletzungen laborieren.
Heutzutage sorgen modernste Medizin- und Rehabilitations-Techniken nicht nur für ein schnelles Comeback, sondern auch für ein zielgerichtetes und motivierendes Training von Sportlern.
Im Interview mit Andreas Stommel, Leitender Physiotherapeut des Bonner Zentrum für Ambulante Rehabilitation (BZfAR), habe ich einen Blick auf die Zukunft der Physiotherapie und des Fitness-Trainings geworfen.
In diesem Artikel
Laufender Fortschritt der Robotik
Kreuzband- und Achillessehnenrisse, Knorpelschäden im Knie oder chronische Ermüdungsbrüche.
Sie gehören zu den schwerwiegenden Laufverletzungen, die vor nicht allzu langer Zeit das sichere Karriereende bedeutet hätten.
Die Entwicklung in der Medizin ist jedoch so rasant, dass Verletzungen, Brüche und Sehnenrisse heutzutage nicht nur weitestgehend konservativ, sondern auch hocheffektiv behandelt werden können.
Allerdings darf ein ausschlaggebender Prozess dabei nicht außer Acht gelassen werden.
Der Rehabilitationsprozess hat sich mindestens genauso schnell entwickelt, wie die Technik innerhalb der Medizin.
Denn während man verletzten Athleten früher absolutes Sportverbot erteilt und passive Krankengymnastik verschrieben hat, weiß man es heute besser:
„Beweglichkeit und der Erhalt der Bewegungsfähigkeit können auch nur per Bewegung trainiert werden – anstatt die verletzte Muskel- oder Knochenpartie ruhig zu stellen oder zu fixieren, beginnen wir so früh wie möglich mit der Mobilisation“, erklärt Andreas Stommel.
Der Leiter des Bonner Zentrum für Ambulante Rehabilitation ist aber nicht nur Physiotherapeut mit Herz und Seele, sondern auch absoluter Vollprofi.
Von Justin Bieber über Udo Jürgens, Lili Paul-Roncalli bis hin zu Spitzensportler wie Sabrina Mockenhaupt, Konstanze Klosterhalfen oder Magic Johnson – sie alle geben sich in die Hände des Bonner Spezialisten.
Darüber hinaus leistet Stommel mit seinem Reha-Zentrum absolute Pionierarbeit.
Robotik, Sensorik, virtuelle Realität und Gamification halten gerade Einzug in die Sportmedizin und das BZfAR ist als erstes Rehazentrum deutschlandweit dabei.
Ein neues Zeitalter in der Physiotherapie hat begonnen
Nicht nur in der Medizin schreitet der technische Forschritt schnell voran.
Auch in der Reha- und im Kraft-Training kommt immer mehr computergesteuerte Technik zum Einsatz.
Dabei sprechen wir nicht von smarten Fitnessgeräten, die das Profil des Trainierenden erkennen und daraufhin Sitz, Hebel und Gewichte automatisch einstellen.
Stommel setzt in seinem Reha-Zentrum auf wesentlich mehr High-Tec:
„Die Digitalisierung macht natürlich nicht Halt vor der Sportgeräte-Industrie. Smarte Geräte, die sich per App an den Sportler anpassen, hinken dem Fortschritt schon jetzt meilenweit hinterher.
Denn diese Maschinen arbeiten immernoch mit den klassischen Steckgewichten – gerade in der Rehabilitation birgt das ein hohes Verletzungsrisiko. Außerdem sind die meisten Fitnessgeräte tatsächlich gar nicht so effektiv, wie gedacht.
Die Nutzung vieler Maschinen folgen meist nur linearen Bewegungen.
Die Ausführung ist somit nicht nur relativ unnatürlich, das Training ist auch vollkommen sportartunspezifisch und eine enorme Belastung für die Gelenke“, erklärt der Physiotherapeut aus Bonn.
Er ergänzt: „Bei unserem ddrobotec handelt es sich um eine Art digitale Beinpresse, die über eine computergesteuerte, appbasierte und cloudverbundene Pneumatik funktioniert.“
Das Geheimnis beim erfolgreichen Training mit dem ddrobotec ist die Berücksichtigung der sogenannten neuromotorischen Fähigkeiten wie Koordination, Schnelligkeit, Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer.
Beim Workout sitzen die Patienten in einer Beinpresse – die Beine können hierbei jedoch komplett unabhängig voneinander agieren.
Unter der Aufsicht des therapeutischen Fachpersonals werden die Sitzhöhe, der Beugungsgrad und die maximale Belastung während einer kurzen Kalibrierung an die Sportler angepasst.
Man selbst hat dabei alles im Blick, denn ein Großbildschirm dient als visuelle Kontrollinstanz und gleichzeitig als virtueller Übungsleiter für die auszuführenden Bewegungen.
Und dann startet das Trainingsprogramm.
Wer jetzt allerdings an stumpfes Eisenbeißen denkt, der liegt meilenweit daneben.
Denn der liebevoll genannte Roboter vereint Muskeltraining mit Gamification – also die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext.
So erscheint bei der ersten Übung eine Amplitude auf dem Großbildschirm.
Die Sportler müssen das voreingestellte Gewicht jetzt wiederholt vom Körper wegdrücken.
Mit zwei Punkten, welche die Kraft des linken sowie des rechten Beins darstellen, soll die Amplitude nun per Streckbewegung der Beine so exakt wie möglich nachgebildet werden.
Das visuelle Feedback ermöglicht aber nicht nur eine schnelle Identifizierung von muskulären Dysbalancen.
Es schult gleichzeitig das zentrale Nervensystem der Athleten.
Schließlich benötigen die Sportler eine gute Auge-Bein-Koordination, um ihren Bewegungsapparat so genau wie möglich zu steuern.
So ist der ddrobotec in der Lage, Muskelgruppen zu aktivieren, die auf herkömmliche Art nur schwer trainierbar sind.
Gamification für optimalen Erfolg
Bei der Erklärung und Präsentation der Roboter-Beinpresse kommt Stommel ins Schwärmen:
„Als Physiotherapeut mit mehr als 30 Jahren Erfahrung – insbesondere auch mit Athleten – ist mir noch nie ein Trainingsgerät über den Weg gelaufen, das so innovativ und revolutionär ist, wie der ddrobotec.
Jede einzelne Trainingseinheit wird vom System abgespeichert. Der Trainierende bekommt nach einigen Einheiten ein ganzes Kollektiv an individuellen Daten per E-Mail zugeschickt.
So wird nicht nur der eigene Fortschritt dokumentiert. Durch die cloudbasierte Vernetzung weiterer Trainingsgeräte lassen sich die Ergebnisse weltweit mit anderen Trainierenden vergleichen.“
Der sich daraus entwickelnde Ehrgeiz ist zwar ein Antrieb im Rehabilitationsprozess, allerdings auch nicht unbedingt für jedermann förderlich.
Insbesondere Profi-Sportler müssen an der Roboter-Beinpresse im Einzelfall zurückgehalten werden, da sie ansonsten zu viel Zeit mit dem Training verbringen und den Reha-Prozess möglicherweise sogar verlangsamen würden.
„Natürlich wollen die Profis so schnell wie möglich wieder am Mannschaftstraining oder an Wettkämpfen teilnehmen, allerdings müssen die biologischen Wundheilungsphasen immer noch berücksichtigt werden.
Das gehört auch zu den Aufgaben von uns als Physiotherapeuten.
Der ddrobotec ist ein Paradebeispiel für die fortschreitende Technik. Die Trainingsgeräte werden immer filigraner und immer gelenkschonender.
Bei unserer Roboter-Beinpresse ist die Verletzungsgefahr schon sehr gering, allerdings müssen wir natürlich darauf achten, die Muskulatur im adäquaten Maße wieder aufzubauen“, erläutert Stommel den negativen Aspekt der Gamification.
Der Physio-Experte fügt hinzu:
„Trotzdem baut das robotische Personaltraining die Muskulatur der Beine auf funktionelle Art und Weise so hochwertig auf, wie kein anderes Gerät der Welt. Ich bin mir deshalb sehr sicher, das es die Rekonvaleszenz-Dauer von Leistungssportlern zukünftig enorm verkürzen wird.“
Funktionelles Training wird Teil des Lebens
Digitale High-End-Geräte, Gamification, virtuelle Realität – all das sind Antriebe für den Rehabilitationsprozess.
Doch fit halten und fit werden, geht auch wesentlich puristischer.
„Man braucht nicht unbedingt eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio, um den eigenen Körper zu stärken. Das Functional Training, also die alltagsrelevante und sportartübergreifende Trainingsform, ist schon längst kein Hype mehr.
Bei all den ganzen zivilisationsbedingten Alltagsbelastungen wie langes Sitzen im Büro, wenig Bewegung in der Freizeit oder ungesunde und unausgewogene Ernährung, wird funktionelles Training bei vielen bald ganz sicher zum Leben dazu gehören.
Schließlich sind muskuläre Insuffizienzen der Nährboden für frühzeitige Abnutzungserscheinungen der Gelenke und der Wirbelsäule.“
Doch wir Läufer kennen das Problem.
Das Kraft- und Stabilitätstraining erregt einen großen Widerwillen in uns.
Da läuft man lieber einen zweistündigen Longrun als zu Hause für 45 Minuten auf der eigenen Fitnessmatte zu schwitzen.
Dabei lässt sich der innere Schweinehund mit den simpelsten Mitteln überwinden.
„Wer sich für sein Heimtraining nicht direkt eine Videospielkonsole anschaffen will, der sollte sich zumindest ein Theraband oder einen Pezziball kaufen. Solange man ein Übungsgerät im Training verwendet, hat man auch immer ein passendes Motivationsinstrument zur Hand“, empfiehlt der Bonner Physiotherapeut.
Tatsächlich kannst du den Körper mit dem Eigengewicht mühelos kräftigen – mit einem elastischen Gummiband oder einem Gymnastikball bringst du jedoch nicht nur Variation in deine Trainingsroutine.
Diese Trainingsgeräte erschweren auch die einzelnen Kraft- und Stabi-Übungen, wodurch du immer wieder neue Trainingsreize setzen kannst.
Mehr lesen: Krafttraining für Läufer: 8 Übungen für kräftige Muskeln
Der Blick in die Zukunft
Hochtechnologische und filigrane Maschinen, die über das Internet mit anderen Trainingsgeräten weltweit vernetzt sind und somit nicht nur die Vergleichbarkeit unter Mit-Rehabilitanten ermöglichen, sondern den Regenerationsprozess auch zum sportlichen Wettkampf machen, sind die Zukunft der Sport- und Rehabilitationstechnik.
Die rasante Entwicklung bringt augenscheinlich nur Vorteile mit sich.
Der Teufel steckt jedoch im Detail.
Denn Gamification, Virtual Reality und Digitalisierung bergen auch Gefahren.
Ein falscher Ehrgeiz führt möglicherweise zu einer Überlastung der verletzten Körperpartie, der sportliche Wettkampf mit anderen Athleten schürt eventuell den Leistungsdruck.
Und bei all den ganzen digitalen Plattformen, auf denen Daten gesammelt und ausgewertet werden können, und all den vernetzten Geräten, die im Alltag der Sportler eine dauerhafte Erreichbarkeit ermöglichen, solltest du dir die Frage stellen, ob du auch beim Kraft- und Reha-Training always online sein musst.
Doch zum Glück gibt es dann noch immer Physiotherapeuten wie Andreas Stommel und sein Experten-Team vom Bonner Zentrum für Ambulante Rehabilitation.
Sie überwachen nicht nur den gesamten Reha-Prozess, die Sportler geben sich in wohlbehütete Hände, damit sie ihre Muskulatur zielgerichtet aufbauen und somit nicht ganz so schnell wieder als Patienten beim Physiotherapeut landen.